Das hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg in einer aktuellen Entscheidung nochmals bekräftigt.
Im dortigen Fall kam es zu einem Unfall im gleichgerichteten Verkehr. Der Kläger stand mit seinem Pkw an einer roten Ampel, dahinter befand sich das Beklagtenfahrzeug. Kurz nachdem die Ampel auf grün umgesprungen war, kam es zur Kollision der beiden Kfz, und zwar entweder, weil die Beklagte auffuhr (so der Kläger) oder aber, weil der Kläger zurückrollte (so die Beklagte). Der Kläger war im Unfallzeitpunkt alkoholisiert (0,9 Promille).
Die auf hälftigen Schadenersatz gerichtete Klage hatte Erfolg.
Da es unbeteiligte Zeugen nicht gab und sich die Schilderungen der Parteien unvereinbar gegenüber standen, war dem Grunde nach von einer hälftigen Schadenteilung auszugehen. Auch die Tatsache, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt stark alkoholisiert war, führte zu keiner anderen Beurteilung. Zwar ist anerkannt, dass bei einem Grenzwert von 1,1 Promille (absolute Fahruntüchtigkeit) ein Anschein für die Ursächlichkeit der danach gegebenen Fahrunsicherheit für das Unfallgeschehen spricht, wenn dieser sich unter Umständen zugetragen hat, die einem nüchternen Fahrzeugführer keine Schwierigkeiten bereitet hätten. Dies gilt allerdings nicht bei der hier lediglich nachgewiesenen relativen Fahruntüchtigkeit. Hier kann ohne alkoholbedingte Ausfallerscheinung nicht mittels Anscheinsbeweises auf Fahrunsicherheit geschlossen werden. Den demnach erforderlichen Nachweis einer unmotivierten Rückwärtsfahrt infolge eines Verschaltens beim Anfahren als alkoholbedingte Ausfallerscheinung kann die Beklagte nicht führen. Auch das angebotene Sachverständigengutachten zu der Behauptung, die Verwechslung von Vorwärts- und Rückwärtsgang sei eine typische alkoholbedingte Ausfallerscheinung, war nicht einzuholen. Dies mag im Ergebnis vielleicht durchaus zutreffen und kann sogar unterstellt werden. Es fehlt jedoch der Nachweis der Rückwärtsfahrt als Anknüpfungstatsache für die Annahme einer alkoholbedingten Ausfallerscheinung.
Amtsgericht Hamburg-St. Georg, Urteil vom 28.08.2015 – 920 C 50/15